Federleicht und tonnenschwer - vom Anfang unserer offenen Ehe

Lea kommt nach der ersten Liebesnacht mit einer Frau zu ihrem Ehemann nach Hause und muss sich dort seinen Emotionen, Zweifeln und Ängsten stellen...
Paar sitzt auf Bett nach einem Streit

Folgend werden die persönlichen Erfahrungen und Meinungen eines Mitglieds von Viamor wiedergegeben...

Das Herz schlug mir bis zum Hals. Ich steckte den Hausschlüssel ins Schloss, lehnte meine Stirn an die kalte Glasscheibe unserer Eingangstür und traute mich nicht aufzusperren. Innerlich hoffte ich inständig, dass er bereits zu Bett gegangen war und ich mich seinen Dämonen erst morgen würde stellen müssen. Doch ich wusste schon jetzt, dass diese Hoffnung vergeblich war. ‚Komm schon, Lea, du schaffst das.‘ Ich betrat den lichterlosen Eingangsbereich unseres Hauses. Alles war dunkel. Auf leisen Sohlen huschte ich an den Kinderzimmern vorbei und spähte durch den Türspalt. Die Kinder schliefen bereits tief und fest. Vorsichtig schob ich die Tür zu unserem gemeinsamen Schlafzimmer auf - er war nicht dort. Verdammt. Mir wurde kalt vor Aufregung. Wo war er nur? Plötzlich fühlte ich mich fremd in meinem eigenen Haus. Mit zitternden Fingern tastete ich nach dem Lichtschalter im Wohnzimmer. Das Licht erhellte den Raum. Ich sah meinen Mann wie ein Häufchen Elend auf dem Sofa liegen - „Ben!“, rief ich erschrocken aus. Er lag auf dem Rücken und starrte ausdruckslos an die Zimmerdecke. Augenblicklich gefror mir das Blut in den Adern. „Bist du hier die ganze Zeit im Dunkeln gelegen?“, fragte ich und wollte mir für diese dämliche Frage am liebsten auf die Zunge beißen.

Mann sitzt verzweifelt vor dem Bett
Langsam richtete er sich auf und funkelte mich finster an. „Soll das ein Witz sein? Was denkst du was ich hier getan habe, während meine Frau mit einer anderen Frau im Bett war? Meinst du etwa ich habe eine Party veranstaltet?!“, sein Tonfall war sogleich sarkastisch als auch aggressiv. Es fühlte sich an, als hätte er mir eine Ohrfeige verpasst. Er stand auf, raufte sich die Haare und lief aufgebracht durch den Raum. Er interpretierte meine Sprachlosigkeit offensichtlich als Bestätigung, denn er setzte nach: „Also habt ihr es miteinander getan?!“ Ich wollte etwas erwidern, irgendwas, egal was, doch ich war wie erstarrt. Mir war bewusst, dass es für ihn schwer sein würde mich gehen zu lassen - zu einer Frau. Aber das Ausmaß nun vor mir zu sehen übertraf alles, was ich mir bis zu diesem Zeitpunkt hätte vorstellen können. „Ich glaube, du hast keine Vorstellung wie verdammt beschissen sich das anfühlt.“, sagte er in die ohrenbetäubende Stille hinein, nachdem er einige Runden, wie ein eingesperrtes Tier zwischen den Wänden hin und her gelaufen war. Und weiter: „Ich muss von allen guten Geistern verlassen worden sein! Was habe ich mir nur dabei gedacht, diesem Wahnsinn zuzustimmen?!“  „Bitte sag so etwas nicht!“, rief ich und stürzte auf ihn zu. Ich wollte ihn umarmen, ihm sagen, dass er sich keine Sorgen machen musste, aber er stieß mich unsanft von sich. „Lea, fass mich nicht an. Ich kann es jetzt nicht ertragen,“ schnaubte er und nahm einige Schritte Abstand von mir. In seinem Gesichtsausdruck lag Abscheu, Zorn und Entsetzen. Dies war einer der Momente im Leben, auf die man sich unmöglich vorbereiten konnte und ich stand einfach nur da, wie eine Idiotin und wusste weder ein noch aus.

 
„Ist sie besser im Bett als ich? Warum willst du das so sehr?!“, fletschte er mich mit zusammengebissenen Zähnen an, ballte die Fäuste und sah mich an. Ich stand regungslos da. Er schüttelte den Kopf. Ich sah die Szene wie in Zeitlupe vor mir, als er dann plötzlich, ohne meine Antwort abzuwarten - einmal, zweimal, dreimal - mit brachialer Gewalt auf die kahle Wand einschlug. „Scheiße!“, schrie er. Das ganze Haus erbebte. Erschrocken zuckte ich zusammen. Mir war, als hätte all das nichts mit dem Mann zu tun, mit dem ich seit nun mehr als 14 Jahren verheiratet war. Ich war vom siebten Himmel mit Enna direkt in der Hölle gelandet. „Scheiße!“ „Bitte schrei nicht, Ben! Die Kinder…“ „Die Kinder, was?!“, bellte er mich an „Hast du einmal an sie gedacht während du heute in den Laken mit deiner Geliebten lagst?“ Ben packte mich an den Schultern und blickte mir direkt in die Augen. Er war kurz davor die Kontrolle zu verlieren. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich Angst vor meinem eigenen Ehemann. Verstört wich ich einige Schritte zurück und sah ihn fassungslos an.

 
Zwei Frauen küssen sich
Wir hatten uns einvernehmlich für die Öffnung unserer Ehe entschieden. Hatten den heutigen Abend sogar zusammen geplant. Außerdem durfte er Enna persönlich kennenlernen, bevor ich zum ersten Mal zu ihr ging und jetzt das?! Tränen schossen mir in die Augen und liefen mir heiß über die Wangen. Wortlos ließ Ben sich auf das Sofa sinken und vergrub sein Gesicht in den Händen. Dann Schweigen, minutenlang, unendlich lang. Es war, als würde ich all die Gefühle, die sich über Stunden in ihm angestaut hatten, in diesem Moment ungefiltert abbekommen: die Eifersucht, Verlustangst, das Besitzdenken, die Unsicherheit und der Neid.
 
Mit einem Mal wurde mir klar, dass ab sofort nichts mehr so war wie davor. Wir hatten eine Grenze überschritten. Eine gesellschaftliche, eine emotionale und persönliche Grenze. Wir waren über das Unvorstellbare hinausgegangen an einen Ort, an den es nicht viele Paare in voller Offenheit und Ehrlichkeit schafften. Und nun standen wir hier, auf der anderen Seite und keiner von uns wusste, wie man diesen Krieg der Emotionen gewinnen konnte. Es war schrecklich, ihn so zu sehen. Und dass ich der Grund für sein Unglück war, fühlte sich an, als würde mir jemand das Herz mit einem Messer der Länge nach aufschneiden. War es das wert? Langsam setzte ich mich neben ihn und strich ihm behutsam über den Rücken.  „Es tut so verdammt weh.“, brach es aus ihm heraus, „Ich weiß nicht, ob ich das verkrafte. Ich fühle mich betrogen, obwohl wir das alles zusammen entschieden haben. Ich habe Angst, dass unsere Familie auseinanderbricht und dass du sie mehr willst als mich. Und was wird dann aus den Kindern…Bitte sag mir, dass du mich nicht verlässt wegen ihr?“, seine Stimme klang müde und abgekämpft.
„Natürlich nicht!“, versuchte ich ihn zu beschwichtigen, „Ich liebe dich, Ben. Ich würde dich und die Kinder niemals verlassen.“ Es war die Wahrheit und dennoch hatte ich Angst, dass er mir verbieten würde die norwegische Schönheit weiterhin zu treffen – meine „Wikingerfrau“, meine erste Frau. Waren diese Gedanken selbstsüchtig?
 
„Wie geht es nun weiter mit uns?“, fragte ich mutig, obwohl ich mich vor seiner Antwort fürchtete. „Ich weiß es nicht. Bitte gib mir ein wenig Zeit. Ich habe nicht damit gerechnet, dass es mich so fertig machen würde. Es ist die Hölle.“, er atmete geräuschvoll ein und wieder aus, „Ich möchte es dir ja zugestehen, aber im Moment kann ich noch nicht einmal mehr darüber reden. Es tut zu sehr weh.“ Ich nickte stumm, zog ihn an mich und nahm ihn fest in den Arm.
 
Es würde noch viel zu bereden geben, das war mir vollkommen klar.

Und obwohl sein Schmerz schrecklich zu ertragen war, wusste ich tief in meinem Inneren, dass ich diese neue Welt wollte: Mit ihr, den Kindern und ihm - und ich war bereit alles, was notwendig sein würde, dafür zu tun.

Autorin Schoko-Diebin
Autor*in: Schoko-Diebin
Hallo an alle,
Mein Name ist Janina und ich komme aus dem schönen Ulm. 
Ich mache aktuell ein Autorenstudium mit dem Ziel einen Roman zum Thema "alternative Beziehungskonzepte" zu schreiben. 
Die Szene ist aus einem meiner Romanprojekte. Ich hoffe, sie gefällt euch. Gerne stehe euch Rede und Antwort, falls ihr Fragen und Anmerkungen dazu habt.

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